In unserem Gastartikel beantworten uns Loredana Di Filippo und Louisa Domhan Fragen über Trauma und seine Auswirkungen, die Rolle des Nervensystems sowie über die Wichtigkeit von Traumasensibilität im Yoga.
Loredana und Louisa bieten (trauma)sensibles Yoga und Körperarbeit an, in Workshops, 1:1 Sessions als auch begleitend als Coaches. Ihre Arbeit ist mehr denn je wichtig, denn in Deutschland allein erleben ca ¼ bis ⅓ der Bevölkerung einmal im Leben ein traumatisches Erlebnis, wodurch es zu Traumafolgestörungen kommen kann.
Traumasensible Methoden in Yoga und in der Achtsamkeitspraxis können Menschen mit Trauma-Hintergrund wirklich nähren und stabilisieren.
Was ist Trauma?
Louisa: Wenn wir das Wort Trauma hören, stellt sich in den meisten Köpfen die Vorstellung von dramatisch lebensbedrohlichen Ereignissen ein: Krieg, Gewalt, Naturkatastrophen, Unfälle (Schocktrauma). Mittlerweile ist aber erwiesen, dass Traumata auch durch nicht-lebensbedrohliche Situationen hervorgerufen werden können (Entwicklungstrauma). Genauso wie Grenzverletzungen in Form von Mobbing, Rassismus etc.
„Trauma ist ein Diskrepanzerlebnis“ ist die klassische Definition von Fischer & Riedesser (Lehrbuch der Psychotraumatologie): Es ist die Kluft zwischen dem was eine Situation erfordert, und den eigenen Bewältigungsmöglichkeiten der Situationen/en. Diese Bewältigungsmöglichkeiten sind sehr verschieden, je nachdem wem (Kind / Erwachsene Person), wo & wann die Situation/en geschehen.
Wichtig ist, dass ein Trauma nie die Situation an sich bezeichnet, sondern immer die subjektive Auswirkung auf das Individuum. Trauma bedeutet übersetzt „Wunde“, die sich auf körperlicher, mentaler und seelischer Ebene abzeichnen kann.
Aufgrund eines traumatischen Erlebnisses kann es zu unterschiedlichen Traumafolgestörungen kommen, welche symptomatisch sehr weit gefasst sind und sehr häufig eng mit dem Nervensystem in Verbindung stehen.
Wie kann sich ein Trauma im Alltag äußern?
Loredana: Der Begriff „Trauma“ ist facettenreich und komplex. Genauso sind es auch die Folgen oder Symptome. Klassische Symptome für ein Schocktrauma sind Flashbacks, Dissoziationen und Intrusionen. Doch es sind auch die Symptome, die wir gleich im Kontext mit dem von Louisa erklärten, Entwicklungstrauma aufgreifen, welche den Menschen mit Schocktrauma Probleme bereiten. Das hat damit zu tun, dass Trauma oder frühkindliche Prägungen in die Funktion unseres Nervensystems eingreift. Alles, was wir erleben, wirkt sich auf unser Nervensystem aus.
Neben den „klassischen“ Symptomen sind auch Schlafstörungen, eine starke innere Unruhe, Nervosität, Angst, Panik, Sprunghaftigkeit, eine chronische Erschöpfung, ein mangelnder Selbstwert, Schwierigkeiten, die eigenen Emotionen zu regulieren, Depressionen oder generelle Schwierigkeiten in Verbindung zu kommen und zu bleiben können mögliche Symptome für ein Trauma (die Betonung liegt auf ,,können“).
Was ist traumasensibles Yoga?
Louisa: Menschen die Leid in welcher Form auch immer erlebt haben, suchen oft Linderung ihrer Probleme im Bereich des Yoga. Oft können aber genau diese Menschen mit einer Yogapraxis wie sie klassisch gelehrt und angeleitet wird nicht viel anfangen. Aussagen wie “Schließ deine Augen!” oder “Nimm den Blick nach innen!” können verunsichern und Gefühle wie Ohnmacht, Unsicherheit und Hilflosigkeit verursachen.
Exponierte Übungen, die unterrichtet werden (z.B. Savasana), können Überlebensreaktionen (Fight, Flight, Freeze, Fawn) auslösen – nicht immer im Moment des Anleitens, sondern auch nach einer Yogastunde. Traumasensible Achtsamkeit und traumasensibles Yoga berücksichtigen das und bieten Modifikationen an, die Menschen mit Trauma-Hintergrund oder Menschen mit einem dysregulierten Nervensystem einen sicheren Rahmen bieten.
Kann ich Yoga machen, wenn ich von Traumata betroffen bin?
Loredana: Yoga kann für Menschen mit den oben genannten Symptomen sehr wohltuend und heilsam sein, WENN (trauma)sensibel angeleitet.
Generell können achtsamkeitsbasierte Methoden Menschen mit Trauma-Erfahrung oder einem dysregulierten Nervensystem helfen, sich wieder mehr zu spüren, Freundschaft mit dem eigenen Körper zu schließen und das Nervensystem zu beruhigen. Dafür braucht es eine (trauma)sensible Anleitung und einen safer space. Diese Faktoren sind nicht nur für Menschen mit Trauma-Hintergrund wohltuend.
Indem wir Nervensystem-informiert und orientiert mit Menschen arbeiten, bekommt unsere Arbeit eine wunderbare Tiefe, von der jeder und jede profitiert.
Worauf sollten Yogalehrer:innen achten, wenn sie (trauma)sensible Stunden anbieten wollen?
Louisa: Traumasensibel Yoga zu unterrichten bedeutet für mich in erster Linie trauma-informiert zusein und dadurch eine Haltung einzunehmen. Des Weiteren ist es vorteilhaft über das autonome Nervensystem Bescheid zu wissen, da Trauma genau hier eingreift und Dysbalancen entstehen. Traumasensibles Yoga unterstützt bei der Regulation des Nervensystems und ist nervensystemfreundlich. Eine gute Grundbasis um direkt in die Anwendung zu gehen lernt ihr in unserem Workshop “Traumasensible Achtsamkeit” kennen.
Warum ist (trauma)sensibles Yoga so wichtig in der heutigen Zeit?
Loredana: Wenn wir unser Wirken inklusiv gestalten wollen, dann sollten wir uns damit auseinandersetzen, dass wir sehr wahrscheinlich Menschen mit Trauma-Hintergrund begegnen werden. Das gilt nicht nur für den Yoga Unterricht. Auch im Coaching, sowie der Körper und Energie-Arbeit werden wir Menschen begegnen, die ein gewisses Leid tragen. Viele ÄrztInnen und TherapeutInnen empfehlen ihren SchülerInnen oder KlientInnen Meditation, Yoga, ergänzendes Coaching und Co. Das bedeutet, besonders Menschen, die Leid tragen, suchen Entspannung und Stabilität in Achtsamkeit (was toll ist). Das ist eine große Verantwortung, die wir da haben.
Achtsamkeitsbasierte Methoden sind (fast) salonfähig. Auch das ist eine wunderbare Entwicklung, zu der wir beitragen.
Die Herausforderung: Wir sind i.d.R. keine TherapeutInnen, werden aber mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit mit Menschen konfrontiert, die einen Trauma-Hintergrund haben. Wenn wir ein paar Leitplanken befolgen, dann können wir unsere Angebote so gestalten, dass sie möglichst sicher und wohltuend für alle sind. Durch kleine Anpassungen können wir unsere Angebote so gestalten, dass sie für Traumatisierte sicher sind. Es schützt sie davor, durch nicht-traumasensible Anleitung retraumatisiert zu werden.
Wir wissen nie, wer den Weg in unsere Angebote findet. Kreieren wir sie also so sicher, feinfühlig und inklusiv wie möglich –und jeder unserer SchülerInnen oder KlientInnen wird davon profitieren.
Unsere Gastautorinnen
Loredana bietet (trauma)-sensibles Yoga, Körperarbeit und Coaching online und offline in Düsseldorf an.
Louisa zeigt dir, wie Du selbstsicher, (trauma)sensibel & frei im Frieden mit deinem Körper, deiner Weiblichkeit & Dir lebst.